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D r e i u n d d r e i ß i g s t e r   G e s a n g .
Die Vaterlands- und Freundesverräther.
Inhalt.
    Des Dichters Parteinahme gegen den gehaßten Feind zieht; der Nagende giebt sich dem neuen Freunde als Grafen Ugolino und den Benagten als Erzbischof Roger von Pisa, der ihn mit seinen unschuldigen Kindern verhungern ließ, zu erkennen, und erzählt ihm seine ganze Jammergeschichte in einer Weise, darin sich neben dem grimmigsten Feindeshaß die rührendste Vaterliebe ausspricht, so daß man unwillkürlich an Lucas 6, 32 u. 35 denken muß: "So ihr liebet, die euch lieben, was Danks habt ihr davon? Denn die Sünder lieben auch ihre Liebhaber. - Liebet eure Feinde u. s. w." - Dieser Gegensatz bedingt die ästhetische Genießbarkeit der ganzen Stelle, denn das durch allen viehischen Ingrimm hindurchblitzende menschliche Gefühl stimmt den Abscheu und der neben aller natürlichen Liebe hingehende Feindeshaß das Mitleiden bis zu einer gewissen ästetischen Mitte herunter, so daß wir uns weder empört hinwegwenden, noch erweicht darüber zu Grunde gehen.

      Am Schluß seiner Erzählung sehen wir die Vaterliebe, die hungersmatt und todesblind nach den am Boden liegenden Kindern umhertappt und schreit, in ihrer rührendsten Gestalt; schon möchte man mit dem Sünder, wie er es erwartet, weinen; aber da geht er von neuem an sein bestialisches Geschäft und schlägt uns dadurch, daß er sich selbst Genugthuung verschafft, die ihm zugedachte Gabe des Mitleids gewissermaßen aus der Hand. Dante wendet sich daher nur der unschuldigen Kinder wegen mit gerechtem Unwillen an die Stadt, woselbst, im schneidenden Gegensatz zur lieblichen Sprache, solch ein des alten Böotischen Thebens würdiger Gräuel verübt worden. Nachdem die Dichter den Ugolino, der den Erzbischof, weil er ihm das Brot versagte, nun ewiglich wie Brot zerkaut, verlassen haben, treten sie in die Ptolemäa ein, an deren Grenze der Erzbischof, der seinen Freund, den Grafen, verrieth, zu stehen scheint. Hier liegen die Freundesverräther, statt vorgebeugt, überrücke, - eine Stellung, (323) die vielleicht auf ihre schamlose Frechheit deutet, - so daß die nachfolgenden Thränen, weil die ersten in den Augenhöhlen gefrieren, in das Innere zurückfließen und so die Seelenangst dieser Verräther an "der Hälfte ihrer Seelen" mehren. Einer von ihnen, ein gewisser Alberigo, bittet den Dante, ihm durch Wegnahme der Eisdecke von den Augen zu dem süßen Weinen zu verhelfen. Dante macht ihm unter der Bedingung, daß er ihm zuvor seinen Namen nenne, durch einen zweideutigen Ausdruck Hoffnung dazu. Der Verräther, um ihn zur Erfüllung seines Versprechens noch geneigter zu machen, thut außer dem Verlangten ein Uebriges. Aber Dante, der mit den Verräthern, die auf Liebe und Treue keinen Anspruch machen können, eben so umgeht, wie sie mit andern umgegangen, erfüllt nun sein nur scheinbares Versprechen nicht, worin man ja keine jesuitische Gesinnung wittern wolle, da der Dichter Dante wohl von dem Menschen Dante und die Hölle wohl von der Welt zu unterscheiden ist.


F a d e n.
1.
  Ugolino erzählt seine Jammergeschichte.
76.
  Dante verwünscht das grausame Pisa.
91.
  Ptolemäa.
109.
  Gespräch mit Alberigo.
151.
  Dante schilt das verrätherische Genua.

XXXIII.

1 Der Mund erhob vom grausenvollen Essen
  Der Sünder nun und wischt' ihn ab am Haare
  Des Hauptes, das er hinten angefressen.
4 "Du willst", sprach er, "daß ich mir nicht erspare
  Den grimmen Schmerz, und mich befällt ein Grauen,
  Wenn ich dran denke, eh' ich's offenbare.
7 Doch soll dem Schurken, den du mich siehst kauen,
  Mein Wort zur Schmach den bittern Samen legen,
  So sollst du, wie ich red' und weine, schauen.  01
10 Ich weiß nicht, wer du bist, noch wessetwegen
  Du hier herabkamst; doch aus deinen Worten
  Tritt mir der Florentiner klar entgegen.
13 Sie nannten mich Graf Ugolino dorten;
  Der hieß Erzbischof Ruggieri. Höre,
  Warum ich ihm ein solcher Nachbar worden.
16 Kraft seiner bösen Anschläg' ohne Wehre
  Mußt' ich, Argloser, eingesperrt verschmachten;  02
  Unnöthig ist's, daß ich dich das erst lehre.
19 Doch wissen kannst du nicht, auch nicht erachten,
  Welch' schnöden Tod ich starb; drum hör' und sage,
  Ob ich mich als beleidigt darf betrachten.
22 In jenem Käfig, der, ob meiner Plage,
  Der Hungerthurm heißt und in sein Gemäuer
  Noch manches Opfer aufnimmt heut' zu Tage,
25 Wer durch ein enges Loch das blasse Feuer
  Des Mond's mir oft erschienen, als - o Grauen! -   03
  Ein böser Traum zerriß der Zukunft Schleier.
28 Ich sah, wie der, als Waidfürst, durch die Auen
  Den Wolf und seine Jungen hetzt' am Hügel,   04
  Der dem Pisaner Lucca wehrt zu schauen.
31 Gualandi schickt er vorn hin an den Flügel,
  Sismondi und Lanfranchi; kundig waren  05
  Die magern Hund' und hastig ohne Zügel.
34 Die trieben sie nach kurzem Lauf zu Paaren:
  So sah ich sie dem Vater, wie den Kleinen,
  Mit scharfem Zahne in die Seite fahren06
37 Als ich erwacht' am andern Morgen, weinen
  Hört' ich im Schlaf die Kinder, wie mir däuchte;
  Sie wimmerten nach Brot, wollt' es mir scheinen.
40 Sehr grausam wärst du, wenn's dich nicht erweichte,
  Erwägst du, was sich da mir kund gegeben.
  Macht das nicht feucht dein Aug', was macht's denn feuchte?
43 Wir standen auf. Nun war's die Stunde eben,
  Wo uns der Wächter sonst die Speise brachte,
  Und jeden hielt sein Traum in bangem Schweben.  07
46 Da hört' ich, wie die Thür des Thurmes krachte,
  Als würde sie vernagelt. Meine Söhne  08
  Blickt' ich starr an, nicht sagend, was ich dachte.
49 Ich weinte nicht, so steinern ward ich; jene
  Nur weineten: ""Was starrst du so, mein Vater?"
  Das waren Anselmuccios theure Töne.  09
52 Doch weint' ich nicht, und auch mein Mund, auf that er
  Sich über Tag und Nacht nicht, bis erneuet,
  Die Sonn' am Morgen kam auf ihrem Pfad her.
55 Als nun ihr Strahl ein wenig Licht gestreuet
  In unsern Schmerzenskerker, und am Ende
  Mein eigen Bild aus vier Gesichtern schreiet,
58 So beiß' ich mir vor Schmerzen beide Hände;
  Doch jen', im Wahn, als thät' ich es, zu weiden
  Den leeren Magen, sprangen auf behende:
61 "Iß von uns, Vater, daß wir minder leiden!
  Du gabst uns selbst das arme Fleisch zur Hülle,
  So hast du auch ein Recht, uns zu entkleiden."
64 Da ward ich, sie zu trösten, plötzlich stille.
  Stumm blieben wir zwei Tage. Harte Erde,
  Warum war's, dich nicht aufzuthun, dein Wille?
67 Am vierten Tag war's, als ich Gaddo hörte
  Ausrufen: ""Vater, keine Hülf' empfah' ich?""
  So streckt er sich mit flehender Geberde
70 Zu meinen Füßen. Da starb er. So sah ich,
  Wie du mich, drei noch stürzen, gleich wie Lasten,
  Vom fünften bis zum sechsten Tag. Drauf nah' ich,
73 Schon blind, mich jedem, um ihn zu betasten,
  Und ruf' ihn noch drei Tage ohn' Aufhören.
  Drauf, was der Schmerz nicht konnte, that das Fasten."
76 Sprach's, und die Augen sah ich ihn verkehren,
  Und wie den Hund mit starkem Zahn' am Knochen,
  Am unglücksel'gen Schädel weiter zehren.
79 Du Schmach des schönen Landes, wo gesprochen
  Das Si so süß wird, Pisa, da, zu träge,   10
  Die Nachbarn solche Schandthat nicht gerochen,
82 Daß sich Capraja und Gorgona rege,  11
  Den Mund des Arno dämm' und so die Dein'gen
  Mit seiner Fluth ersäufe allerwege!
85 Denn wenn Graf Ugolino sich nicht rein'gen
  Von dem Verrath der Burgen konnt', erachte,  12
  Ob du also die Kinder durftest pein'gen!
88 Denn Uguccione und Brigata machte
  Ihr junges Alter schuldlos, junges Theben!
  So wie die beiden, deren ich gedachte.
91 Wir kamen, wo ich andres Volk, umgeben  13
  Vom Frost mit rauhem Winkelzeuge, sehe,
  Gebückt nicht, nein gestürzt. Das Weinen eben
94 Läßt sie nicht weinen, und des Herzens Wehe,
  Das, auf die Augen tretend, dann nicht fort kann,
Wälzt sich zurück, daß es die Angst erhöhe.
97 Die ersten Thränen häufen dann sich dort an,
  Und, wie Visire von Crystalle, füllen
  Sie unter'n Braun den ganzen Kelch sofort an.
100 Gewichen schon war um des Frostes willen
Jedwed' Empfindung, wie aus einer Schwiele,
Aus des Gesicht's erst noch bewohnten Hüllen.
103 Doch däucht es mir, daß ein'gen Wind ich fühle;
  Drob ich: "Mein Herr, wer ist's doch, der den anregt,
Stirbt denn nicht jeder Dunst in dieser Kühle?"  14
106 Und er: "Du wirst, wonach dein Mund jetzt anfrägt,
Vom Auge bald die Antwort drauf erhalten,
Die Ursach' sehend, die ihn hier heranschlägt."   15
109 Und Einer in der Kruste, in der kalten,
Schrie: "O ihr Seelen, so gar ungeheuer,
Daß man den letzten Platz euch vorbehalten,
112 Nehmt mir von dem Gesicht die harten Schleier!
So mach' ich, eh' die Thränen sich vereisen,
Mein Herz vom Schmerze, der es schwängert, freier."
115 Und ich: "So sag', soll ich dir Gut's erweisen,
Wer du denn warst! Dann will ich gern, entriegl' ich
Dein Auge nicht, zum Grund des Eissees reisen." -
118 "Mönch Alberigo", rief er unverzüglich,   16
"Der mit den Früchten aus dem argen Garten:
Für Feigen krieg' ich Datteln hier." - "Ist's möglich,
121 Bist du schon todt?" versetzt' ich dem Erstarrten.
Und er: "Wie's meinem Leib' ergeht da droben,
Wirst du umsonst auf Auskunft von mir warten.
124 Voraus hat Ptolemäa dieß: Von oben
Stürzt oft der Geist herab in diese Gründe,
Eh' Atropos ihn treibt, die Hand erhoben.
127 Und wiss', auf daß ich williger dich finde,
Mir die verglasten Thränen abzuschaben:
Uebt, wie ich's that, ein Geist Verrathessünde,
130 So muß er einen Teufel dann begaben
Mit seinem Leib, und der beherrscht ihn gerne,
Bis seine Tag' ihr Ziel gefunden haben.  17
133 Er stürzt herab in solcherlei Cisterne:  18
  Dort gehn vielleicht noch um des Schattens Glieder,
  Der mit mir überwintert da nicht ferne.
136 Kommst du erst jetzt, erinnerst du dich wieder;
  Es ist Ser Branca d'Oria, und im Eisschacht  19
  Ging manches Jahr ihm auf und manches nieder." -
139 "Ich glaube", sagt' ich, "daß man mir was weiß macht.
  Dem ist zu sterben noch nicht beigefallen;
  Er hat auf Schlaf und Anzug, Trank und Speis Acht." -
142 "Noch war", versetzt' er, "zu den Uebelkrallen,
  Wo's zähe Pech kocht, in der obern Hölle,
  Don Michel Zanche nicht herab gefallen,  20
145 Als der den Teufel an des Geistes Stelle
  In seinem Leib ließ und in des Verwandten,
  Der beim Verrath gewesen sein Geselle. -
148 Nun strecke deine Hand nach mir Gebannten,
  Erschließ die Augen! - und ich ließ es bleiben,
  Und fein war's, grob zu sein mit dem Genannten.  21
151 "O Genueser, ihr mit eurem Treiben,  22
  Baar jeder Zucht, mit jedem Fehl beladen,
  Was hindert doch, euch gründlich aufzureiben!
154 Denn bei dem schlechten römischen Camraden
  Sah ich auch Wen von euch ob seiner Schandthat,
  Dem Geiste nach, schon im Cocyt sich baden,
157 Indeß sein Leib einher im obern Land trat.

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Vierunddreißigster Gesang

Erläuterungen:

01 Wie am Eingang der Hölle die vom Sturm umhergetriebene Liebe (H. 5, 126), so erzählt hier gegen das Ende derselben der im Eis gleichsam eingemauerte Haß dem theilnehmenden Dichter seine unglückselige Geschichte mit Thränen. Es hat fast den Anschein, als wenn Dante die Parallele beabsichtigt hätte.

02 Ugolino hatte, um sich seines Neffen Nino, der mit ihm die Herrschaft über Pisa theilte, zu entledigen, sich mit dem Erzbischof Ruggieri verbunden, wurde aber, als er den Erzbischof nicht als Collegen annehmen wollte, von Ruggieri's Parthei belagert, gefangen und in den Thurm Gualandi gesperrt.

03 Siebenmal etwa, denn Ugolino blieb vom August 1288 bis zum März 1289 darinnen.

04 Hiermit ist der Berg Giuliano gemeint, der zwischen Lucca und Pisa liegt.

05 Die hier genannten Ghibellinen hielten es mit dem Erzbischof.

06 Ruggieri, das Haupt des Bündnisses, tritt in dem prophetischen Traume des Ugolino als Herr der Jagd auf; Gualandi, Sismondi und Lanfranchi, seine ergebenen Partheigänger, die den grimmigen Pöbel auf den Grafen hetzten, als Führer der Jagdhunde; der verfolgte Graf selbst als Wolf und die Seinen als junge Wölfe. Uebrigens hat dieser Traum vollkommene psychologische Wahrheit. Der heißhungrige Wolf, der am Ende erliegt, ist weiter nichts, als die traumhafte Ausgestaltung des wüthenden Hungers, der alle Kraft aufzehrt.

07 Danach scheinen auch die Kinder ahnungsvolle, beängstigende Träume gehabt zu haben.

08 Wir haben das chiodare mit "vernageln" übersetzt, weil ja der Thurm schon verschlossen war.

09 Anselmuccio und Brigata (V. 88) waren Ugolino's Enkel, Gaddo (V. 67) und Uguccione (V. 88) seine Söhne. Dante machte sie, der Geschichte zuwider, zu Kindern, vielleicht um das Pathos der Lage zu erhöhen.

10 Die Langue de si ist die italienische, so wie die Langue d'oc die südfranzösische, und die Langue d'oui die nordfranzösische Sprache. Hier scheint übrigens nicht von Italien im Allgemeinen, sondern von Toscana, dessen Mundart die lieblichste aller italienischen Mundarten ist, insbesondere die Rede zu sein. Vergl. de vulg. eloq. 1, 8.

11 Zwei der Mündung des Arno nächste Inseln.

12 Ugolino hatte, scheinbar um des allgemeinen Besten willen, im Grunde aber zu eignem Vortheil, den Lucchesen Pisanische Burgen ausgeliefert.

13 Die Ptolemäa hat ihren Namen entweder von Ptolemäus, König von Aegypten, Verräther des Pompejus, der zu ihm geflohen war, oder aber von Ptolemäus, dem Sohn des Abobi, der den Simon und seine Söhne beim Gastmahl verrieth. (1. B. d. Macc. 16, 15-17). Die letztere Meinung scheint uns die vorzüglichere, weil Alberigo dei Manfred sowohl, als Ser Branca d'Oria, die unter den Bewohnern der Ptolemäa nahmhaft gemacht werden, unter ähnlichen Umständen Verrath übten.

14 Dante meint: Hier zieht doch die Sonne keine Dünste auf, die das Gleichgewicht in der Luft stören, und so Wind erzeugen könnten.

15 Den Wind macht nämlich der Satan mit seinen Flügeln (H. 34, 49-52). So geht denn vom Satan selbst die höllische Kälte aus, und muß ausgehen, denn die von Gott, der Geistersonne, losgerissene Persönlichkeit ist an und für sich eben so kalt, als die Natur ohne die Sonne, das Abbild Gottes. An dieser Eiskälte nehmen die Diener des Satans stufenweise Theil. Die Lauen eröffnen die Hölle, die Eiskalten schließen sie.

16 Alberigo de' Manfredi von Faenza, Mitglied der lustigen Brüderschaft, lud seinen Verwandten, Manfredi de' Manfredi, zu einem Versöhnungsmahle in seinem Garten ein, und rief nach geendigtem Mahle: "Bringt die Früchte!" worauf der Gast mit seinem jungen Sohne von den Mördern, die der Wirth in der Nähe versteckt hatte, ermordet wurde.

17 Johannes 13, 27 heißt es: "Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn". Diese Stelle, wo von Judas, dem Verräther seines Freundes und Wohlthäters zugleich, den wir in der folgenden Abtheilung bestraft finden, die Rede ist, gab dem Dichter vielleicht Veranlassung zu dieser Dichtung, deren dogmathischen Gehalt wir nicht mit Bestimmtheit auszuscheiden wagen: denn daß sie etwa rein bildlich zu nehmen sei, wie Kopisch zu meinen scheint, lassen wir uns nicht so leicht einreden. Viel eher möchten wir glauben, daß wir es hier mit einer rein dogmatischen Ueberzeugung des Dante zu thun haben.

18 Der Höllenabgrund, darin sich die Thränen der sündigen Welt (H. 14, 113), die der Dichter selbst einen Regen nennt (H. 14, 132), sammeln, wird sehr passend eine Cisterne genannt.

19 Ser Branca d'Oria, Genueser, soll, in Verbindung mit seinem Neffen, seinen Schwiegervater, Don Michael Zanche (H. 22, 88), beim Mahle verrätherisch umgebracht haben.

20 Danach fuhr der Dämon noch vor der äußern Ausführung der innern That in ihn: was die Bezugnahme auf Judas noch wahrscheinlicher macht.

21 Ungefälligkeit gegen den treulosen Verräther nennt Dante Höflichkeit gegen den gerechten Gott. Die Wegnahme der Eisrinde von den Augen des Sünders wäre ein Eingriff in den Willen Gottes gewesen. Hier am Schlusse der Hölle lernt der Dichter, der am Eingang über die strafende Gerechtigkeit Gottes murrte (Hölle 3, 12) und, schon in der Mitte, noch immer darüber weinte (H. 20, 19-30), Ja und Amen dazu sagen: das macht, weil er nun die Sünde an sich selbst als crimen laesae majestatis divinae erkannt und gerichtet hat, "auf das Er gerecht sei in seinen Worten und überwinde, wenn Er gerichtet wird (Röm. 3, 4)".

22 Kurz vorher züchtigte der Dichter Pisa, jetzt züchtigt er die Feindin Pisa's, Genua, deren Sitten Jacob d'Oria nicht besser schildert. Abermals ein Beweis von der unbestechlichen Gerechtigkeit des Dichters, die freilich über den Horizont unseres mit Allem zufriedenen Zeitalters hinaus geht.