Miscellaneous

Zweites Capitel.
Zustand der Wissenschaften und Künste.

(Originaltext Seite XIV)
Griechische und römische Gelehrsamkeit war nach dem Untergange des weströmischen Kaiserthums im südwestlichen Europa und besonders in Italien nicht ganz verschwunden. Die lateinische Sprache ward Sprache der Kirche und der Gelehrsamkeit. Plato und Aristoteles wurden studirt, und aus dem Studium des letztern entwickelte sich die Scholastik, indem man die aristotelische Art der Untersuchung auf die Lehrsätze der christlichen Religion übertrug. (XV) Daher wird des Aristoteles auch in der göttlichen Comödie höchst ehrenvoll gedacht, (Hölle, 4, 130,) so wie der Erklärer desselben, des Averroes und Avicenna; einzelne aristotelische Schriften, z. B. die Ethik und Physik werden im elften Gesange der Hölle angeführt. Dante selbst war wohl bewandert in der Scholastik, welche sich durch Spitzfindigkeit auszeichnete, und er giebt davon fast in allen seinen Schriften Beweise, auch in seinem großen Gedichte, ganz besonders aber in seiner Schrift "das Gastmahl", in welchem er drei seiner Canzonen sehr umständlich erklärt, und in dem Briefe, mit welchem er den dritten Theil der göttlichen Comödie, das Paradies, seinem Gönner, dem großen Can, widmet. In diesem erklärt er sich über das Paradies folgendermaßen: "Es wird also dieser dritte Theil oder diese dritte Cantica, welche Paradies betitelt ist, zuerst in zwei Theile getheilt, in den Prolog und in die Ausführung (pars executiva). Von dem ersten Theil ist zu wissen, daß, ob er gleich gemeinhin Exordium [(kunstgerechte) Einleitung (einer Rede)] genannt werden könnte, er doch, eigentlich zu sprechen, nur Prolog genannt werden muß; was der Philosoph (d. h. bei Dante vorzugsweise Aristoteles) im zweiten Buche der Rhetorik anzudeuten scheint, wenn er sagt: ein Proömium [Einleitung, Vorrede] giebt es in der Redekunst, so wie einen Prolog in der Dichtkunst und ein Präludium in festinatione. - Es ist auch zu bemerken, daß diese Vorrede (praeviatio), welche gemeinhin Exordium genannt werden kann, bei den Dichtern und Rednern verschieden ist. Denn die Redner pflegen von dem Folgendem einen Vorschmack zu geben, um die Hörer vorzubereiten. Aber die Dichter thun dies nicht nur, sondern lassen darauf noch eine Anrufung folgen. Und dieß ist ihnen gemäß, weil sie eines Anrufs nöthig haben, da sie gegen die gewohnte Weise der Menschen etwas von höheren Wesen zu suchen haben, gleichsam ein göttliches Geschenk. Daher theilt sich der gegenwärtige Prolog in zwei Theile, da in dem ersten vorangeschickt wird, was gesagt werden soll, (XVI) und im zweiten Apollo angerufen wird. In Rücksicht des ersten Theils ist zu merken, daß zu einem guten Exordium drei Dinge erfordert werden, wie Tullius sagt in der neuen Rhetorik: nämlich daß man den Leser wohlwollend, aufmerksam und gelehrig mache, und dieß zumal bei einem erhabenen Gegenstande, wie Tullius selbst sagt." -

Der größten und berühmtesten Scholastiker waren Albertus Magnus, ein Deutscher, der Neapolitaner Thomas von Aquino sein Schüler, mit dem Beinamen Doctor angelicus, und der Gegner desselben, der Irländer Duns Scotus mit dem Beinamen Doctor subtilissimus, welche beide letzteren zwei verschiedene Secten stifteten. Diese lebten kurz vor und zu Dante's Zeit, denn Thomas starb 1274, Duns 1308; und die scholastische Philosophie war am Ende des dreizehnten und im Anfange des vierzehnten Jahrhundert in ihrer Blüthe. Sie fand aber ihre Gegner in der Mystik, oder in der religiösen Selbstbeschauung. Sehr merkwürdig sind in dieser Hinsicht die beiden Bettelmönchsorden: der Franciscaner oder Minoriten, Fratres minores, die auch Cordeliers und seraphischer Orden genannt und im Jahre 1210 von dem Italiener Franciskus von Assisi gestiftet wurden, und der Dominicaner oder des Predigerordens, welchen der Spanier Dominicus 1215 stiftete. Beide Orden hatten das Gelübde der Armuth, Keuschheit und des Gehorsams: die Franciskaner widmeten sich aber vorzugsweise dem innern Gemüthsleben, die Dominikaner mehr der äußern Wirksamkeit. Beide Orden arteten aber sehr aus, theils sofern sie von dem beschaulichen Leben und den von ihrer ursprünglichen Wirksamkeit abwichen und sich gelehrten Untersuchungen und Grübeleien hingaben, so daß eben die beiden Stifter der beiden entgegengesetzten scholastischen Secten ihnen angehören, indem Thomas von Aquino ein Dominikaner, Duns Scotus ein Franciskaner war, theils insofern beide auf verschiedene Weise nach Ansehen und Macht (XVII) strebten und Werkzeuge päpstlicher Herrschsucht wurden. Doch Franciskus und Dominicus mochten wahrhaft fromme Männer seyn, und Dante läßt im elften und zwölften Gesange des Paradieses ihre Verdienste schildern und sie hoch erheben, die Ausartung der Orden aber bitter tadeln. Auch versammelt er in dem Saturn die Seelen aller derer, welche ihr Leben der religiösen Betrachtung gewidmet haben, führt insbesondere den Einsiedler Petrus Damian auf und findet den frommen Bernhard von Clairvaux sogar in dem empyreischen Himmel.

Wie Dante von den frommen Albigensern und Waldensern gedacht habe, könnte zweifelhaft seyn, da er namentlich keine Ketzerpartei erwähnt. Indeß versetzt er doch die sämmtlichen Ketzer in den sechsten Kreis der Hölle, und versetzt den furchtbaren Verfolger der Albigenser Folko in den Himmel, obgleich nicht wegen der Ketzerverfolgung. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Dante die für jene Zeit hellen Ansichten der Albigenser und Waldenser kannte: denn in den Tadel, welchen sie gegen die weltliche Herrschaft und Macht der Klerisei und die Sittenverderbtheit der Mönche und Geistlichen überhaupt äußerten, hätte er einstimmen und die Sittenreinheit, die Einfalt, Unschuld und Strenge in der Lebensart jener Ketzer billigen müssen. Aber er nimmt die bestehende Kirche in Schutz obwohl er die schlechten Päpste in noch tiefere Kreise der Hölle versetzt.

Das Papstthum war noch nicht bedeutend angetastet; einzelne Päpste hatten zwar von Kaisern und Königen, z. B. Bonifacius von Phillip dem Schönen, viel zu leiden; sie trugen aber doch meistens den Sieg davon. Auch die Gelehrsamkeit schien erst zur Befestigung des Papstthums zu dienen, wurde aber endlich die gefährlichste Feindin desselben durch Anregung der Denkkraft, durch Zweifel, Untersuchungen, hellere Begriffe. Ein bedeutendes Beförderungsmittel der Gelehrsamkeit waren zu Dante's Zeit die Universitäten. Die Theologie (XVIII) nahm ihren ersten Sitz in Paris und bereitete die Reformation vor; die Jurisprudenz in Bologna, und sie unterstützte den Drang zur bürgerlichen Freiheit, die Ausbildung der italienischen Freistaaten; die Arzneikunde in Salerno, und sie führte zum Studium der Natur und zur Zerstörung manches Aberglaubens. So entstanden die Universitäten durch die Bildung der drei positiven Wissenschaften oder Facultäten, zu welchen sich die vierte, die philosophische, hinzu gesellte. Die Gelehrsamkeit der Universitäten war aber eine solche, die sich auf Bekanntschaft mit der griechischen oder doch lateinischen Sprache gründete, aus deren Literatur schöpfte, der alten Sprachen sich als Mittel der Mittheilung bediente und mit dem neuen Geist, einem dem Alterthum ganz entgegengesetzten Geiste und mit der neuen Gelehrsamkeit, welche sich jetzt zu bilden anfing, sich erst allmählich befreundete.

Diese neue Gelehrsamkeit erwuchs mit der Entstehung und Ausbildung der neueuropäischen Sprachen und zwar aus dem Geiste der germanischen Völker, welche das römische Reich überschwemmten und unter sich theilten, aus der Eigenthümlichkeit, welche sie ursprünglich hatten, oder durch von außen hinzukommende Umstände erhielten. Durch die Vermischung der germanischen Sprachen und der lateinischen Sprache entstand zuerst, wenn gleich nach Raynouards und Perticari's Untersuchungen eine lingua rustica als gemeines Romanisch gemeinschaftlich in allen westlichen Theilen des römischen Reichs geherrscht haben soll, eine babylonische Sprachenverwirrung, wie wir sie in geringerem Grade noch immer da sehen, wo zwei Völker verschiedener Zunge zusammenstoßen, und es gehörten bei der wesentlichen Verschiedenheit dieser Sprachen Jahrhunderte dazu, ehe sich aus diesem trüben Gemisch etwas Helles wieder abklärte. Die Schriftsprache oder Sprache der Gelehrten und die kirchliche Sprache blieb freilich die lateinische, obgleich auch sie nicht ohne Veränderung, ohne Umbildung; (XIX) die Volkssprachen aber, welche sich nach einem halben Jahrtausend und darüber endlich zum Schriftgebrauch heranbildeten, waren die provenzalische, die wallonische oder nordfranzösische, die kastilianische oder spanische, die portugiesische und die italienische, und auch etwa in dieser Ordnung. Denn die provenzalische ist die erste und ihr Hervortreten als eigenthümliche Sprache kann man etwa in das Zeitalter des Bozon, Königs von Arles, setzen, zwischen 877 und 887; die französische in die Zeit Wilhelms Longue-Epée, des Sohns Rollo's, Herzogs der Normandie, etwa 50 Jahre später; die kastilianische in die Regierung Ferdinands des Großen, hundert Jahre später, um das Jahr 1050; die portugiesische in das Zeitalter Heinrichs, des Stifters der Monarchie, um das Jahr 1100; endlich die italienische unter Roger den ersten, König von Sicilien, nicht bedeutend später, etwa gegen 1150. Alle diese Sprachen werden die romanischen genannt, und man nannte sie auch wohl nach dem Worte, welches Ja bedeutet. So hieß die provenzalische Sprache die von Oc, die wallonische die von Oil, die italienische die von Si, (Hölle 33,79.)

Auf die Bildung dieser Sprachen und noch mehr auf die Literatur in denselben oder vielmehr auf Geist und Gesinnung der neueren süd- und west-europäischen Völker hatten noch zwei andere Völker und deren Eroberungen einzelner Theile von Süd- und West-Europa , deren Ansiedlungen unter den dort wohnenden neuen Völkern germanischen Ursprungs und die Ereignisse, welche hiermit zusammenhingen, einen höchst bedeutenden Einfluß. Dies sind die Araber und die Normänner.

Die Araber, von Osten herkommend, das westliche Ende von Europa überfallend und in ihren Fortschritten zwar durch Karl Martell und die Schlacht von Poitiers im Jahr 732 aufgehalten und über die Pyrenäen zurückgedrängt, gründeten (XX) dennoch in Spanien Königreiche, welche Jahrhunderte, zuletzt neben christlichen Königreichen bis gegen das Ende der funfzehnten Säculums fortdauerten, und wirkten auf die Bewohner Spaniens und des nahgelegenen südlichen Frankreichs, auf deren Sitten, Geist und Sprachen mächtig ein. Die Eigenthümlichkeit der Araber zeigte sich aber weniger in der Wissenschaft, wo sie hauptsächlich die Griechen zu Mustern nahmen, als in der Kunst, besonders in der Dichtkunst. Die Araber waren von jeher eine dichterische Nation; etwa um das Jahr 1000 gelangte ihre Poesie unter der Regierung der Ommiaden zum höchsten Glanze, und Erzählungen und Lieder sind es, in welchen sie sich besonders auszeichneten. Einen Charakterzug scheinen die Araber mit den germanischen Nationen zu theilen, nähmlich die Verehrung des weiblichen Geschlechts: aber bei den Germanen war diese mehr religiöser und geistiger, bei den feurigen Arabern mehr sinnlicher Art. - In Dante's Gedichten ist nun wenig oder gar nichts von arabischen Geschmacke sichtbar; seine Liebe zur Beatrice und Verehrung und Vergöttlichung derselben hat ganz das Gepräge germanischer Innigkeit und Reinheit; nichts von Uebertreibung ist in den Schilderungen ihrer Schönheit. Aber die italienische Sprache ist doch nicht frei von einem mittelbaren Einfluß der Araber, nämlich durch die Provenzalen.

Die Provenzalsprache, die erstgeborne, aber auch die nach einer Dauer von kaum fünfhundert Jahren zuerst wieder erloschene und nur noch im Munde des niedern Volks und auch da mit großen Veränderungen fortdauernde, mußte schon deswegen von den Arabern Einfluß erleiden, weil sie nicht bloß die südliche Hälfte Frankreichs von der Loire an, sondern auch den südlichsten Theil von Spanien, das heutige Katalonien und Aragonien beherrschte. Provenzalpoesie hat sich fast auf einen einzigen Zweig der Poesie beschränkt, auf das Lied; und selbst ihre Lieder sind meistens nur Liebes- und Kriegslieder, (XXI) zum Theil auch satyrische. Aber in der Liebespoesie machte sie freilich Epoche; von Portugal bis Griechenland hin zogen die Troubadoure; aber im Ganzen war diese Poesie doch flach und unbedeutend, ohne hohe Phantasie, ohne Schwärmerei und Innigkeit, ohne Mythologie, ja fast ohne Religion; sie diente nur zum Vergnügen, zur Unterhaltung. Die Troubadoure vermischten sich bald mit den Jongleurs oder Possenreißern. Kein einziger großer, ausgezeichneter Dichter stand unter ihnen auf; keine bedeutenden Werke haben sie hervorgebracht. Ihre Sprache und Poesie bildet nur den Uebergang zu den übrigen noch lebenden romanischen Sprachen, und ihr Einfluß besonders auf die französiche, italienische und spanisch Sprache ist nicht unbedeutend. Viele von ihnen erfundene Vers- und Reim-Formen, z. B. die Canzone und Sestine, gingen in die italienische Poesie über und haben sich darin erhalten. Dante erwähnt mehre Provenzaldichter, sowohl in seinen prosaischen Schriften, besonders in der Schrift de vulgari eloquio, als auch in der divina commedia, z.B. den Bertram de Born, Hölle 28 gegen das Ende; den Sordello, Fegefeuer 6, 58 und den Arnaldo Daniello oder Arnaud Daniel, dem er sogar acht provenzalische Verse in den Mund legt, (Fegefeuer 26 am Ende).

Außer den Arabern spielen auch, wie oben bemerkt ist, die Normänner eine wichtige Rolle in der Geschichte des Mittelalters, theils durch ihre Eroberungen, theils durch den kühnen, kriegerischen und ritterlichen Geist, den sie verbreiteten und der die glänzendsten Züge aller damaligen Völker, germanische Redlichkeit und Sittenreinheit, provenzalische Galanterie und arabische Phantasie, arabisches Ehrgefühl mit eigenthümlicher Kraft vereinigte. Ihre Eroberungen und Niederlassungen in der Normandie hatten auf die wallonische Sprache den größten Einfluß. Sie sind Erfinder der Ritteromane und der Erzählungen, theils geschichtlicher und märchenhafter, theils allegorischer. (XXII) In der lyrischen Poesie leisteten sie weniger als die Provenzalen, aber im Ganzen haben sie doch ungleich größere Verdienste als jene um die Poesie. Ihre Ritteromane zerfallen in drei Classen: die erste hat die Heldenthaten des fabelhaften britischen Königs Artus und seiner Tafelrunde, die zweite die Amadisse, und die dritte Karl den großen mit seinen Paladinen zum Gegenstand. Auf die erstere spielt Dante im fünften Gesange der Hölle gegen das Ende an, und 32, 62, ebenso Parad. 16,15; auf die dritte, auf Karl und Roland Hölle 31, 16-18. - Das religiöse Ritterthum des Mittelalters machte allein jene großen Heerzüge der europäischen Christen gegen die asiatischen Saracenen, die Kreuzzüge möglich. Auch dieser erwähnt Dante, Paradies 15 am Ende.

Aber für Italien und die Bildung der italienischen Sprache sind die Normänner durch ihre Niederlassungen in Unteritalien wichtig geworden. Italien war nach dem Untergange des weströmischen Reichs, wie früher gesagt wurde, die Beute der verschiedenartigsten Völker nacheinander und miteinander geworden. In Unteritalien wohnten Griechen und Saracenen neben einander. Zwischen diesen hatten sich die Herzogthümer Benevent, Salerno und Capua erhoben, welches den größten Theil det jetzigen Königsreichs Neapel einnahm und eine nicht ganz unbedeutende Blüthe der Kunst und Wissenschaft erreicht hatte, doch nur gelehrt-alterthümlicher durch lateinische Geschichtschreiber und Dichter und durch die Schule von Salerno. Durch die Eroberung Apuliens und späterhin Siciliens in der Mitte des elften Jahrhunderts von den Normännern ward die Volkssprache nicht verdrängt, aber es trafen in Unteritalien zwischen dem elften und dreizehnten Jahrhundert alle die bisher erwähnten Bildungsanregungen, die arabische, die provenzalische und normännische Sprache und Dichtkunst, zusammen, und so war hier insbesondere ein Anfangspunkt einer neuen eigenthümlichen Bildung gegeben. An dem normännischen (XXIII) Hofe der beiden Roger und der beiden Wilhelme zu Palermo gewannen die Araber einen Einfluß, wie sie ihn an keinem andern Hofe gehabt hatten; die Hälfte der Insel war von den Arabern bewohnt. Die an sich gesegnete Insel blühte jetzt noch mehr durch Wohlhabenheit. Im Anfange des zwölften Jahrhunderts ließen sich zuerst sicilianische Dichter in sicilianischer Sprache hören. Durch die Besitznahme Unteritaliens von den Hohenstaufen im Jahr 1189 ward diese Bildung nicht gestört, sondern vielmehr befördert. Die Saracenen blieben auch bei der neuen Regierung in Gunst. Friedrich der zweite (1197-1250) und sein Kanzler Peter de Vigne waren selbst Dichter, und so beginnt die italienische Poesie mit der sicilianischen. Es sind uns noch einige diese sicilianischen Gedichte übrig. Viel Eigenthümlichkeit ist nicht darin: es sind meist Liebeslieder und an Geist und Werth den provenzalischen ähnlich. Sie sind uns mehr wegen der Sprache merkwürdig. Dies war nicht die Volkssprache Siciliens, sondern die vornehmere, die Hofsprache, lingua cortigiana. Ihr giebt auch Dante in seiner Schrift de volgari eloquio den Vorzug, behauptet aber dennoch, daß das wahre Italienische, volgare illustre, aus allen italienischen Mundarten zusammengesetzt sey. Auf diese Weise hatte sich im zwölften Jahrhundert bereits eine italienische Schriftsprache gebildet. Die Prosa ward su Dantes Zeit schon mit Festigkeit und Reinheit, z. B. von dem florentinischen Geschichtschreiber Ricordano Malespini, geschrieben. Die poetische Sprache war noch sehr beschränkt und arm: denn die Dichter in der italienischen Sprache, dem volgare illustre, sowohl die Vorgänger als Zeitgenossen Dante's, z. B. Mazzeo di Ricco, Guittone von Arezzo, Guido Guinizelli und Brunetto Latini, von welchen die beiden letztern und zumal der letzte Lehrer des Dante waren, Guido Cavalcanti, Dante da Majano und Cino von Pistoja, Dante's Freund, dichteten gleich den Provenzalen fast (XXIV) nur Liebeslieder in Sonetten, Balladen, Canzonen, Sestinen und andern künstlichen Formen, und nur Brunetto Latini hatte in seinem Tesoretto einen etwas bedeutenderen, aber ziemlich matten Versuch gewagt. Dante nennt mehre dieser Dichter mit großem Lobe, z. B. Guido Guinizelli, (Fegfeuer, 29, 92.)

Die italienische poetische Sprache war also im Ganzen nur noch wenig gebildet oder doch sehr einseitig gebildet, schwankte noch in sich selbst und hattte so viel Aehnlichkeit und Verwandschaft mit dem Provenzalischen und Lateinischen, daß Dante eine seiner Canzonen, es ist die dritte, in diesen drei Sprachen gedichtet hat, nämlich so, daß sie versweise abwechseln. Eben so hat er in seinem göttlichen Comödie ganze und halbe Zeilen und einzelne Wörter aus den lateinischen Kirchengesängen und aus der lateinischen Uebersetzung der Bibel aufgenommen und seine poetische Sprache überhaupt aus der lateinischen so wie aus den verschiedenen italienischen Mundarten bereichert. So wußte er aus dem schwankende Zustande der Sprache einen Vortheil zu ziehen, dessen der Dichter in einer schon fertigen Sprache entbehrt. So ist er der Vater der italienischen Poesie nicht nur, sondern auch der poetischen Sprache geworden.

Wenn Dante's großes Gedicht hiernach auf der Gränze dreier Sprachreiche, besonders des italienischen und lateinischen, und schon in dieser Hinsicht in der Mitte zwischen alter und neuer Gelehrsamkeit steht, ja, wenn er sogar erst der alten Sprache den Vorzug gab und die göttliche Comödie in lateinischen Hexametern zu dichten anfing, so schwebt er in Hinsicht des Inhalts fast nicht minder zwischen dem Alten und Neun. Denn wenn gleich die Anlage christlich und die florentinische Geschichte mit so vielen Zügen hinein verwebt ist, so flicht sich doch fast eben so viel alte Gelehrsamkeit, Judenthum und Heidenthum, römische Geschichte und griechische (XXV) Mythologie hinein. Neben Engeln und Teufeln haben wir den Minos, Geryon, Cerberus, obwohl diese mythologischen Wesen, z. B. Pluto oder Minos und selbst die etwas mehr historischen, z. B. Ulysses, verändert und umgedichtet sind.

So viel von der Gelehrsamkeit, den Sprachen und der Dichtkunst des dantischen Zeitalters. Nur wenige Worte noch von den übrigen Künsten.

Die Musik hatte schon große Fortschritte gemacht. Die christliche Religion gab ihr einen ernsteren, feierlicheren Charakter. Den Kirchengesang war längst durch den heiligen Ambrosius verbessert, auch der harmonische und der vielstimmige oder Figuralgesang und die Orgel erfunden. Wenigstens wird sie mehrmals von Dante genannt, z. B. Paradies 17, 42. Ueberhaupt ist dad Paradies voll von Musik, besonders von Gesang, siehe Paradies 28 gegen das Ende, und nächstdem von Tanz, Paradies 12 im Anfange. Einen befreundeten Sänger nennt Dante insbesondere den Casella, (Fegfeuer 2, 106) und ist von dessen Gesange entzückt.

Die Malerei hatte kurz vor Dante einen trefflichen Meister gehabt an dem Florentiner Cimabue, und dessen Schüler, der Florentiner Giotto, war Dante's Zeitgenosse. Diese beiden sowohl, als die MiniaturmalerOderis aus Gubbio und Franco aus Bologna, erwähnte Dante im elften Gesange des Fegfeuers. Dem Cimabue fehlte noch die Kunst der Perspectbve; aber ein großer Styl war ihm eigen, und einige Gemälde Giotto's gehören schon zu den Meisterstücken und wurden von Raphael und Michael Angelo bewundert.

Noch mehr als die Malerei blühte die Bildhauerei und besonders die Baukunst. Die plastische Kunst war zuerst unter den schönen Künsten wieder erwacht, und der Reichtum der lombardischen und toskanischen Freistaaten unterstützte sie sehr. In ihr zeigt sich hauptsächlich der große, kühne und uneigennützige Geist jenes Zeitalters, indem man damals zum (XXVI) allgemeinen Nutzen und Vergnügen baute, Städte mit Mauern umgab, Kanäle, Brücken, Rathhäuser, Tempel und Kirchen wetteifernd errichtete. Die herrlichsten Bauwerke, z. B. der Dom zu Pisa, das Baptisterium, die Johanniskirche und der Schiefe Thurm ebendaselbst, der Tempel des heiligen Franciscus zu Assissi, das Logen- und Priorats-Gebäude, die Kreuzkirche und der Dom zu Florenz von Arnulf, einem Schüler des Nikolaus, entstanden damals; und Dante deutet mehrmals auf dergleichen hin, z. B. Paradies 25 im Anfange, Fegfeuer 12, 100, Hölle 19 im Anfange. - Nicht minder groß und trefflich waren die Bildhauerarbeiten der damaligen Zeit. Bonanno von Pisa goß ein prächtiges Thor von Bronze für den Dom seiner Vaterstadt; und erhabner noch waren die Thore an dem Baptisterium zu Florenz, welche Andreas etwa um das Jahr 1300 erbaute. Die Pforten von Ghiberti an einem andern Eingange dieses Baptisteriums hielt Michael Angelo würdig, zu Thoren des Paradieses zu dienen. Diese Pforten waren mit erhabener Arbeit, und viele Kirchen und Dome mit trefflichen Bildsäulen geschmückt. Eine treffliche Schilderungen von Bildwerken giebt Dante im zwölften Gesange des Fegfeuers. - Von der Baukunst darf man wohl sagen, daß sie im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ihre größte Höhe erreichte. - Vergleichen wir aber den Zustand der Künste im Zeitalter des Dante mit dem Zustande der Wissenschaften, so ist deutlich, daß die Künste sich im Ganzen einer weit größern Blüthe erfreuten. Die Poesie vereinigt beide großen Bestrebungen des Menschen: sie ist fast eben so sehr Wissenschaft wie Kunst; es gehört zu ihr fast nicht minder Gelehrsamkeit als Phantasie. Die christliche Religion giebt der neueren europäischen Welt den Charakter, insbesondere aber dem Mittelalter. In der divina commedia sind Religion, Gelehrsamkeit und Geschichte auf eine wunderbare Weise verschmolzen. An die Stelle der Galanterie ist eine geistige, verklärende (XXVII) Liebe getreten. Der Kern des Gedichts aber ist Allegorie und Mystik.

Drittes Capitel