Auszug
der Lebensumstände
des Verfassers.

Übersicht

Dante Alighieri stammt aus einem alten adelichen Geschlechte in Florenz, und ward im Jahre nach Christi Geburt 1265. daselbst gebohren. Er zeigte bald ein großes Genie. Seine Aeltern, sein Hofmeister, Brunetto Latini, und seine Anverwandten gaben ihm mit vereinigten Kräften eine weise, tugendhafte und freye Erziehung. Er machte von den pflichtmäßigen und edeln Bemühungen dieser wahren Wohlthäter auch einen pflichtmäßigen, erkenntlichen und edeln Gebrauch, that sich nach und nach in allen Wissenschaften ausnehmend hervor, führte eine rühmlich freye Lebensart, und gieng endlich aus eigenem edelmüthigen Antriebe unter dem Cavaliercorps mit zu Felde, und in die campaldinische Schlacht, wo er überall klug und tapfer für sein Vaterland stritte, kam mit neuen Vorzüge wieder zurück, und bestrebte sich nun eifriger, als jemals, sich gelehrt und tugendhaft 2 und zu einem würdigen Bürger der Welt und seines Vaterlandes rühmlich zu arbeiten. Er studirte unabläßig, und schien, als studirte er nicht, so munter, so artig, und so angenehm war sein liebreicher, nützlicher und großer Umgang mit allen Menschen. Ein wahrer Beweis ächter Gelehrsamkeit, edler Erziehung und eines guten Genies, das einzig und allein solcher Vorzüge nur fähig ist. Dante vermählte sich mit dem adelichen Fräulein Gemma aus dem Geschlechte der Donati, und hatte die Freude verschiedene hoffnungsvolle Kinder aus dieser Ehe zu setzen, und rühmlich zu erziehen.

Nunmehro wurden ihm, wegen seiner vorzüglichen Einsicht und würdigen Lebensart, von der Republik die wichtigsten Regierungsgeschäffte aufgetragen, bis er endlich, ohngefähr in seinem fünf und dreyßigsten Jahre, aus freyer Wahl zum Prior, oder zu einem von den höchsten Richtern, ernennet ward. Dieß Glück war sein Unglück.

Florenz war in die zwo bekannten Parteyen der Welfen und Gibellinen getheilt, wovon jene endlich die Stadt und Oberhand eine geraume Zeit behaupteten. Selbst unter den Welfen entstanden hernach, und ursprünglich zu Pistoja, die zwo neuen Parteyen der Weissen und Schwarzen. Florenz wollte diesem Uebel abhelfen, rief schleunigst beyderseits Häupter zu sich, zog aber eben hierdurch wegen der vielen Anverwandten und Freunde, die diese in der Stadt hatten, sich selbst das größte Unglück zu. Auch die billigsten Vermittelungen waren fruchtlos. Alle Familien, alle einzelne Personen erklärten sich im kurzen entweder für die eine oder für die andre Partey. Streit, Unruhe und Drohungen wurden plötzlich, bis zum öffentlichen Aufstand, allgemein. In diesem fürchterlichen Zeitpunkte war Dante eben Prior.

Die Schwarzen hielten in der Kirche zur heiligen Dreyfaltigkeit eine Privatversammlung, und ihre Abhandlungen und Entschlüsse, bis zum Erstaunen, geheim. Und nur der Erfolg zeigte, daß sie mit dem Pabst Bonifacius, dem Achten, gemeinschaftliche Sache gemacht hatten, der Carln von Valois nach Florenz 3 schicken sollte, um durch diesen die Stadt wieder in Ordnung bringen zu lassen.

Die Weissen schöpften sofort aus dieser geheimen Zusammenkunft gegründeten Verdacht, waffneten sich, stellten sich freundschaftlich, giengen zu den Prioren, beschwerten sich, daß jene für sich, und ohne sie, über den Zustand der Stadt geheime Berathschlagungen gehalten, die blos dahin abzielten, sie zu verjagen, und drungen also darauf, dergleichen Frevel zu bestrafen. Die Schwarzen, sich ihrer am besten bewußt, griffen gleichfalls zu den Waffen, erschienen vor den Prioren, klagten jene an, daß sie ohne öffentliche gemeinschaftliche Berathschlagung sich gewaffnet und befestiget hätten, und sie unter allerhand Vorwänden verjagen wollten, verlangten mithin, sie, als Störer der öffentlichen Ruhe und allgemeinen Sicherheit, gehörig zu bestrafen.

So standen indessen beyde Parteyen, mit Truppen und Freundschaftsverstellungen gewaffnet, überall fertig, und erwarteten blos, eine jede für sich, einen erwünschten richterlichen Ausspruch.

Bey diesen allgemeinen Bewegungen, die Furcht, Schrecken und Gefahr gleich groß machten, gab Dante in solcher Verlegenheit den Rath, man müsse das Volk zu gewinnen und sich und die Stadt dadurch unterdessen in Sicherheit zu setzen suchen. Diese vorsichtige Bemühungen hatten in so ferne einen erwünschten Erfolg. Allein, so bald man sich auf diese Art sicher sahen, schickten die Prioren die vornehmsten Häupter von beyden Parteyen ins Elend fort. Dante schien hierüber ungemein schwierig, ohngeachtet er der Partey der Weissen zugethan war. Man rief sogar die Häupter von den Weissen bald wieder zurück, und ließ hingegen die von der Schwarzen in ihrer Entfernung. Auch hier entschuldiget und rechtfertiget sich Dante.

Gnug, wegen solcher Ungleichheit schickte Bonifacius nun Carln nach Florenz. Die Stadt, aus Ehrfurcht gegen den Pabst und gegen Frankreich, empfing ihn mit allen Ehrenbezeigungen. Carl rief so fort die Häupter der Schwarzen zurück, und verjagte 4 bald darauf die ganze Partey der Weissen. Die Ursache hiervon ist diese: Ein Freyherr von Carln brachte einen schriftlichen Aufsatz zum Vorschein. Dieser war, seinem Vorgeben nach, von drey Cavalieren der Weissen verfertiget, untersiegelt und unterschrieben. Kraft dieses machten sie sich anheischig, ihm, als Gouverneur, Prato zu überlassen, wenn er auf dieses ihr schriftliches Ansuchen es bey Carln dahin vermittelte, daß die Partey der Weissen die Oberhand behielte. Man hält diese Schrift für verdächtig. Carl ward jedoch darüber äusserst ungehalten, und so aufgebracht, daß er alle Weissen verjagte.

Dante befand sich um diese Zeit als Abgesandter in Rom, wohin er kurz zuvor von der Republik abgeordnet war, um die Einigkeit und den Frieden der Stadt in Vortrag und zu Stande zu bringen. Aus Rache, weil unter seinem Priorate die Verbannung der Schwarzen erfolget war, fiel man in solcher Abwesenheit seine Häuser, seine Güter und sein Vermögen öffentlich an, plünderte und richtete alles zu Grunde. Zu gleicher Zeit machten die Schwarzen ein ungerechtes Gesetz, kraft dessen der Podesta alle im vorigen Priorate begangenen Fehler untersuchen und dawider erkennen mußte, obgleich alles Vergangene schon völlig geschlichtet und beygelegt war. Dante wird citirt, und als er nicht gleich erschienen, erfolgte seine Verurtheilung, Verbannung und die Einziehung seiner Güter, die vorhero schon geplündert und zerstört waren. Er hörte, verläßt Rom, eilt, flieht nach Siena. Hier erfährt er sein Unglück näher, wird schlüßig , berathschlaget und vereiniget sich mit den übrigen Verjagten. Arezzo wird der Ort ihres Aufenthalts. In dieser Gegend beziehen sie ein großes Lager, wählen Alexandern von Romena zu ihrem Feldherren, und zwölf Kriegsräthe, unter denen Dante auch war. Hier machen sie die äussersten Versuche zur Aussöhnung, und warten in immer neuer Hoffnung verschiedene Jahre. Alles, alles war fruchtlos. Nun sah man weiter kein Mittel. Und nun brach die ganze und große Menge nach Florenz auf. Sie kamen unverhofft vor die Stadt, bemächtigten sich so fort eines Thores, faßten Fuß, 5 mußten aber, dem allen ohngeachtet, am Ende unverrichteter Sache wieder abziehen.

Nun verlor Dante alle Hoffnung, aber keine Zeit mehr, sondern gieng nach Verona, wo er von den Herren della Scala sehr gütig aufgenommen ward, bey denen er sich einige Zeit aufhielt. Hier suchte er durch vorzüglich edle Handlungen, und ein besonderes demüthiges Betragen sich beliebt zu machen, daß Florenz ihn freywillig wieder zurück rufen sollte. Er schrieb auch an verschiedene Personen von der Regierung so wohl, als an das Volk, und unter andern an dieses einen sehr beweglichen Brief, der sich also anfängt: O mein geliebtes Volk! was habe ich dir gethan? - Während dieser neuen Hoffnung, durch den Weg der Verzeihung wieder in sein Vaterland zurück zu kommen, ward Heinrich, Graf von Luxemburg, zum Kayser gewählet, weshalb ganz Italien in großen Erwartungen stand. Vielleicht glaubte Dante, nun auch alle gelinde Mittel versucht, und sich gnug gedemüthiget und erniedriget zu haben. Vielleicht hatte er auch Grund zu glauben, daß ihm auch die Hoffnung zur Verzeihung fehlschlagen werde. Gnug, er wartete sie nicht ab, fing vielmehr an, aus einem eifrigen Tone wider Florenz zu sprechen, nannte ihre Richter harte und ungerechte Menschen, und drohete mit der Macht und Gerechtigkeit des Kaysers, der auch wirklich Florenz belagerte. Allein der Kayser starb nicht lange darauf, und mit ihm nun vollends alle Hoffnung für unsern Dante, zumal, da er so eifrig und frey sich wider die höchsten Richter von Florenz herausgelassen hatte. Er hielt sich also hin und wieder in verschiedenen Städten Italiens auf, ward überall von großen Herren als ein würdiger Gelehrter verehrt und unterstützt, und endigte zu Ravenna 1321. sein so unglückliches, als ruhmvolles Leben.

Er starb, von Freunden beklagt, die mit unrühmlichen Thränen,
Noch nie die Gabe des Mitleids entehrt;
Er starb, von Freunden verehrt, die selbst den Größten nicht ehren,
Wenn ohne Tugend der Purpur ihn schmückt.
Gellert.

6 Dante war von Person und Ansehen einnehmend, im Umgange artig und beliebt, ein wahrer Menschenfreund, von feinem Geschmack und Witze in der Musik, im Zeichnen und in andern schönen Künsten; ein erfahrner und geprüfter Kenner der Menschen, nicht stolz, nicht hochtrabend, nicht rangsüchtig, sondern ein bescheidener, wesentlicher Gelehrter, ein verdienstvoller Staatsmann, und einer der vortrefflichsten und berühmtesten italiänischen Dichter.

Dieser würdige Mann ist der Verfasser der drey in italiänischen Versen geschriebenen Gedichte von der Hölle, dem Fegefeuer und dem Paradiese. Er fing diese schöne und große Arbeit noch vor seiner Verbannung an, und brachte sie in seinem Unglücke zu Ende. Und von diesem nützlichen Werke sind mehr, als hundert Ausgaben von Werthe ans Licht getreten.

Er hat in diesen Gedichten die Stärke seines Genies, seine feine und unerschöpfliche Erfindungskraft, seine Belesenheit, Kenntniß der Welt, Erfahrung und Gelehrsamkeit, in der natürlichsten und den verschiedenen Gegenständen angemessensten Schreibart, sattsam gezeiget. Er beschreibt die traurigen und vergnügten Wohnungen der Ewigkeit, der alle Menschen zueilen, wo sie alle erscheinen, und wo sie ewig bleiben müssen. Erstaunender Gegenstand! - Auf diesen ewigen Schaubühnen läßt er die merkwürdigsten Personen von allen Hauptständen, unglücklich oder glücklich, auftreten, nützlich für noch lebende Menschen reden, und schildert alles in den schönsten, lebhaftesten, lehrreichsten und anmuthsvollsten Bildern und Gemählden, als sähe, als hörte man es, als wäre man selbst zugegen. Je öfter man sie lieset, je mehr Schönheiten wird man entdecken, und je mehr Stoff zum Nachdenken und zur Bewunderung wird man stetrs darinnen finden. O Dante, von deiner Nachwelt nie gnug gepriesener Dichter!

Vor deinem Grabe sitzt stets der Kenner künftige Nachwelt:
Und er, der Liebling des guten Geschmacks,
Bestreu mit Rosen es stets, und sag aus deinen Gedichten
Die schönsten Stellen der Fühlenden vor!
  Gellert.